21.01.2021 /

Einblicke in den Alltag von Betroffenen: Die Rolle von Influencern in der Patienten­versorgung

Lesezeit ca. 5 min

„Außenwerbung trifft“ oder „Radio. Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf“ sind Klassiker der Eigenwerbung für Marken. Doch Sales-Professionals wissen, dass heutzutage kein Weg mehr am Influencer-Marketing vorbeiführt. Aber wie steht es da um Medikamente, Nahrungsergänzungs- oder Therapiemittel? Das Wichtigste vorweg: Das Heilmittelwerbegesetz und Influencer-Kooperationen schließen sich nicht aus! Social-Media-Marketing ist auch im Pharmabereich angekommen und mittlerweile eine separate Sparte mit viel Wachstumspotenzial.

Was den Content von Healthcare-Influencern ausmacht? DIY-Videos mit Verbandsmaterial oder hübsch drapierte Pillenschachteln? Weit gefehlt! Das Besondere an diesem Marketingmodell ist, dass die Inhalte das Ziel haben, die Lebensrealität der Betroffenen zu zeigen. Die Zusammenarbeit mit solchen Markenbotschafter*innen bietet Pharmaunternehmen die Möglichkeit, sich den eigenen Patient*innen an die Seite zu stellen.

 

Das Gesicht und die Stimme der Zielgruppe

Social-Media-Artists im Healthcare-Bereich gehören meist ihrer eigenen Zielgruppe an. Viele von ihnen sind selbst betroffen oder Angehörige von Patient*innen – Eltern, Kinder oder Partner*innen. Hierdurch erlangen sie eine besondere Glaubwürdigkeit. Pharmaunternehmen können durch die Zusammenarbeit mit ihnen ihrer Zielgruppe ein Gesicht und eine authentische Stimme geben. Als Healthcare-Marke in Social Media mit Betroffenen zusammenzuarbeiten, bietet dazu die Möglichkeit, die Adhärenz zu steigern. Eventuelle kurzfristige Stagnationen können thematisiert und anschließende Fortschritte gezeigt werden. Das gibt Followern den Mut, einer Therapie treu zu bleiben.

In der Regel arbeiten Content-Creator im Healthcare-Bereich monothematisch. Eine Influencerin, die beispielsweise an Morbus Crohn erkrankt ist und auf ihren Kanälen über ihren Alltag mit dieser Diagnose berichtet, wird sich höchstwahrscheinlich nicht plötzlich dem Thema Krebs widmen. Es sei denn, diese Erkrankung nimmt Einfluss auf ihre bisherige Diagnose. Diese thematische Beständigkeit bietet Pharmaunternehmen daher die Möglichkeit einer langfristigen Kooperation, da die Inhalte keinen Trends unterliegen. Monothematischen Content zu kreieren, bedeutet zugleich, eine sehr individuelle Zielgruppe zu bedienen. Einem querschnittsgelähmten Social-Media-Artist, der über Sport im Rollstuhl berichtet, folgen wahrscheinlich überwiegend Menschen, die selbst mit dem Thema zu tun haben. Healthcare-Influencer besetzen also mit ihrem Content oft Lücken in den sozialen Medien. Daher sind sie wunderbare Werbebotschafter*innen für Produzenten von Hilfsmitteln oder Dienstleistungen in diesen Bereichen.

 

Aus der Nische heraus: Sich in Social Media richtig platzieren

Die eng definierte Zielgruppe führt meist dazu, dass Healthcare-Content-Creator sogenannte Micro-Influencer sind. Sie haben in der Regel unter 10.000 Follower. Ein buntes Portfolio mit vielen verschiedenen Themen bringt klassische Influencer hingegen schnell in die Kategorie „Macro“, also 10.000 Follower plus. Erfahrungsgemäß bedeutet eine kleinere Community häufig jedoch ein stärkeres Engagement. Aber wie kommt das zustande? Micro-Influencer stehen mit ihrer Community oft in einem sehr aktiven Austausch. Die Menge der Kommentare unter Postings ist überschaubar und daher kann auf jeden einzeln reagiert werden. Und genau das ist eines der größten Potenziale von Healthcare-Marketing in Social Media: der Dialog mit der Zielgruppe.

Eine klassische Healthcare-Influencerin ist Samira Mousa. Nachdem bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert wurde, machte sie sich auf die Suche nach Erfahrungsberichten aus dem Leben von MS-Patient*innen. Sie wurde nicht fündig. Also startete sie einen Blog, in dem sie ihren Alltag veröffentlichte. Später erweiterte sie diesen um Social-Media-Kanäle. Erste Kooperationen mit Pharmamarken kamen zustande. Heute zählt sie mit ungefähr 5.000 Followern zu den Micro-Influencern. Ihre Followerschaft eint die gemeinsame Diagnose und die Suche nach Therapiemöglichkeiten und Hilfsmitteln.

Im Macro-Bereich ist Charlotte Karlinder als Healthcare-Influencerin sehr erfolgreich. Die Journalistin und ihres Zeichens „Sinnfluencerin“ steht auf Instagram und Facebook mit ihren mehr als 60.000 Followern regelmäßig im Austausch. Einem breiten Publikum wurde sie durch das SAT.1-Frühstücksfernsehen bekannt. Hier moderiert sie aktuell die Rubrik „Gesünder mit Karlinder“, in der sie Tipps für einen gesunden Lebensstil gibt. Als ausgebildete Notfallmedizinerin kommt Charlotte selbst aus dem Gesundheitswesen, was ihr die Expertise und Glaubwürdigkeit verleiht, die ihre Follower schätzen.

 

Zu Eventualitäten und Unklarheiten lesen Sie die Checkliste oder fragen Sie Ihre Marketing-Spezialist*in

Am Anfang einer Influencer-Kooperation sollte immer eine ausgiebige Recherche stehen. Wer ist im jeweiligen Bereich tätig? Was für Kooperationen gab es in der Vergangenheit? Wie steht es um die Seriosität und den Brand-Fit potenzieller Partner*innen? Hat man die passende Person gefunden, empfiehlt es sich, Eventualitäten im Voraus zu besprechen und vertraglich festzuhalten. Entwickeln Sie ein Konzept für die Zusammenarbeit.

Folgende Checkliste hilft:

• Wie viel Content soll produziert werden?
• In welchen Zeitfenstern soll geliefert werden?
• Entspricht die Ansprache dem Heilmittelwerbegesetz?
• Wie soll die Bildwelt für das Produkt aussehen? Wie funktioniert das Corporate Design?
• Welche Hashtags sollen genutzt werden, welche nicht?
• Was soll verlinkt werden: vielleicht bestimmte Kanäle des Unternehmens, Partner oder Selbsthilfegruppen?
• Wie soll auf Negativkommentare reagiert werden?
• Wie lange soll der Beitrag online verfügbar sein?

Verschiedene Social-Media-Kanäle ziehen unterschiedliche Altersgruppen an. Da die Produkte und Dienstleistungen von Pharmaunternehmen jedoch häufig über mehrere Altersgruppen hinweg gebraucht werden, besteht vor allem hier eine große Gefahr, an der Zielgruppe vorbei zu kommunizieren. Wenn die Content-Creator neben den eigenen Social-Media-Kanälen auch eine Website mit einem Blog betreiben, sollten die Inhalte daher ebenfalls dort platziert werden. So sind sie unabhängig von der jeweiligen Plattform und können auch Follower, die einen bestimmten Kanal nicht nutzen, erreichen.

Mehr Einblicke in die praktische Arbeit von Werbebotschafter*innen im Healthcare-Bereich gibt es in unserem Livestream „inside good healthcare – Healthcare & Lifestyle – Die Rolle von Influencern in der Patientenversorgung“ mit den Social-Media-Artists Samira Mousa und Charlotte Karlinder.

Fazit

Digitale Lösungen als Stütze des Gesundheitswesens

Die Versorgung von Patienten, gerade auch von chronisch Kranken, darf auch in Zeiten einer Pandemie keinesfalls vernachlässigt – und diese schon gar nicht allein gelassen werden! Die Angst vor Ansteckung ist begründet, sollte aber einer optimalen Gesundheitsversorgung auf keinen Fall im Weg stehen. Denn wofür gibt es die neuen, disruptiven Lösungen, wenn diese nicht genau jetzt genutzt werden? Die digitale Kommunikation ist die Zukunft und wird sich auch über die Krise hinaus bewähren, so viel ist sicher. Für alle Akteure des Gesundheitswesens gilt es daher aktiv zu werden! Von der zunehmenden Flexibilität, der besseren Erreichbarkeit und geringeren Wartezeiten profitieren schließlich nicht nur die Patienten, sondern auch die Mediziner selbst. So kann die digitale Patientenbetreuung – besonders in der Krise – zu einer wichtigen Stütze des Gesundheitssystems werden.